Die von dir vorgeschlagene Formulierung wirkt nicht nur gestelzt, sie ist auch grammatikalisch falsch. Außerdem handelt es sich keineswegs um eine Passivkonstruktion.
Die Verben »sein« und »werden« sind nicht dasselbe
Ich kann dieses Argument nicht nachvollziehen:
Da einer Sache gerecht sein so nicht verwendet wird, ist gerecht werden scheinbar schon passiv.
Nö.
»Sein« und »werden« sind doch nicht zwei Formen desselben Verbs, sondern zwei verschiedene Verben. Das eine (sein) drückt aus, dass sich etwas gerade in einem bestimmten Zustand befindet, während das andere (werden) ausdrückt, dass etwas gerade dabei ist, seinen Zustand zu ändern.
Beispiele:
Präsens
sein: Ich bin krank. = Ich befinde mich jetzt in einem unerfreulichen Zustand.
werden: Ich werde krank. = Ich mache jetzt gerade (in der Gegenwart) einen Zustandswechsel durch.
Präteritum
sein: Ich war krank.
werden: Ich wurde krank.
Perfekt
sein: Ich bin krank gewesen.
werden: Ich bin krank geworden.
Plusquamperfekt
sein: Ich war bereits krank gewesen als ich Ilse traf. (Als ich Ilse traf war ich schon wieder gesund.)
werden: Ich war bereits krank geworden als ich Ilse traf. (Als ich Ilse traf war ich krank.)
Futur I
sein: Ich werde krank sein.
werden: Ich werde krank werden.
Beachte, dass das zweite Wort im Satz (werde) nur ein Hilfsverb ist, das aus grammatischen Gründen notwendig ist, um die Zeitform Futur I zu bilden. Diese Hilfsverb trägt keine semantische Information, es ist lediglich ein grammatischer Marker. Das Vollverb, um das es geht, steht am Ende des Satzes.
Futur II
sein: Jetzt bin ich noch gesund, aber bis zu deinem Geburtstag werde ich krank gewesen sein. (Und an deinem Geburtstag werde ich auch wieder gesund sein.)
werden: Jetzt bin ich noch gesund, aber bis zu deinem Geburtstag werde ich krank geworden sein. (Und werde auch an deinem Geburtstag noch krank sein.)
Das Vollverb »werden« kann nicht im Passiv verwendet werden.
Nicht alle Verben sind in der Lage einen Passiv zu bilden.
Versuchen wir, aus einem bereits vorhandenen Passivsatz einen Aktivsatz zu machen:
Aus jedem Passivsatz lässt sich ein Aktivsatz erzeugen, indem man das Subjekt des Passivsatzes zum Akkusativobjekt des Aktivsatzes macht. Gleichzeitig wird das eventuell vorhandene Präpositionalobjekt des Passivsatzes zum Subjekt des Aktivsatzes. Wenn es kein solches Präpositionalobjekt gibt, muss man sich für den Aktivsatz ein plausibles Subjekt ausdenken:
Mit Präpositionalobjekt:
Ohne Präpositionalobjekt:
Passiv
Der Hund wird gestreichelt.
Gestreichelt wird der Hund.
der Hund = Subjekt
wird gestreichelt = Prädikat
Aktiv
Den Hund streichelt jemand.
Jemand streichelt den Hund.
den Hund = Akkusativobjekt
streichelt = Prädikat
jemand = Subjekt, das im Passivsatz nicht explizit als Präpositionalobjekt vorhanden war.
Für den umgekehrten Weg (mache aus einem Aktivsatz einen Passivsatz) folgt daraus ZWINGEND, dass in Aktivsatz an das Verb ein Akkusativobjekt gebunden sein muss. Dieses Akkusativobjekt wird nämlich zum Subjekt des Passivsatzes, und dieses Subjekt muss vorhanden sein.
Also kann man nur mit transitiven Verben Passivsätze bilden. Wenn ein Verb gar kein Akkusativobjekt haben kann, kann man damit keinen Passivsatz bilden:
Beispiele für Sätze, die man nicht als Passivsatz formulieren kann:
- Intransitive Verben
Ich schlafe.
Die Sonne geht unter.
Du wartest auf den Bus.
Eugen hilft Verena.
- Reflexive Verben
Hans wäscht sich.
Ich freue mich.
Willi bedankt sich bei Ursula.
Das Vollverb »werden« ist ein intransitives Verb. Daher kann man damit keine Passivsätze bilden. Der Satz
Etwas wird einer Sache gerecht.
Ist ein Aktivsatz, den man nicht in einem Passivsatz umwandeln kann.
Flexionen von »einer Sache gerecht werden«
- Präsens
Etwas wird (jetzt) einer Sache gerecht.
- Präteritum
Etwas wurde (gestern) einer Sache gerecht. (Und ist es heute noch.)
- Perfekt
Etwas ist (gestern) einer Sache gerecht geworden. (Ist es heute aber nicht mehr.)
- Plusquamperfekt
Etwas war (vor einem anderen Ereignis, das in der Vergangenheit stattfand) einer Sache gerecht geworden.
- Futur I
Etwas wird (nächstes Jahr) einer Sache gerecht werden.
- Futur II
Etwas wird (bei Eintreten eines anderen zukünftigen Ereignisses) einer Sache gerecht geworden sein.