Wo kommt der Fluch/Ausruf "Himmel, Arsch und Zwirn!" her? Gibt es Verbindungen zu "Verflixt und zugenäht!"?
Wie kam es, dass "Zwirn" mancherorts durch "Wolkenbruch" ersetzt wurde? Oder lief die Ersetzung in umgekehrter Richtung?
Wo kommt der Fluch/Ausruf "Himmel, Arsch und Zwirn!" her? Gibt es Verbindungen zu "Verflixt und zugenäht!"?
Wie kam es, dass "Zwirn" mancherorts durch "Wolkenbruch" ersetzt wurde? Oder lief die Ersetzung in umgekehrter Richtung?
Aus dem Brockhauskalender Was so nicht im Lexikon steht 2011 (Eintrag vom 3. Januar):
Wie kommt der Zwirn in den Fluch?
Für zweierlei waren in alten Zeiten die Deutschen in ganz Europa berüchtigt: fürs Saufen und fürs Fluchen. Aber was die anderen von uns hielten, ging uns glatt am ... vorbei. Dieses Element des besagten Fluchs wäre also geklärt. Und dass, trotz Sündhaftigkeit, auch etws Religiöses wie der Himmel in einen Fluch gehört, versteht sich von selbst. Nur, verflixt und zugenäht!, was ist mit dem Zwirn?
Ein Zwirn entsteht durch das Zusammendrehen von mindestens zwei Fäden, was ihn gegenüber dem Einzelfaden natürlich haltbarer macht. Der Zwirn verleiht also dem zuvor Gesagten einen ordentlichen Nachdruck.
Aber er steht hier nicht allein deswegen. Das innige Aneinanderschmiegen und Ineinanderverdrehen von zwei Einzelfäden birgt auch ein metaphorisches Potenzial. Zwirnen wurde früher als Synonym für körperliche Verwicklungen, kurz: fürs Vögeln, verwendet. Damit wären mit den drei Wörtern des Fluchs wesentliche Sphären menschlichen Seins abgedeckt.
(Hervorhebungen von mir. Inwieweit dieser Kalendereintrag Spekulation ist, habe ich nicht recherchiert.)
A) Ein bisschen Statistik
Auch keine Antwort auf die Frage nach der Herkunft, aber immerhin trotzdem schon mal interessant für die Entwicklung einer solchen Antwort: Verlaufskurve von DWDS für das Auftreten der drei Wörter "Himmel, Arsch, Zwirn" zusammen (Zahlen: Vorkommen pro Million Einheiten):
Demnach ist es (im verwendeten Textkorpus) erst ab 1900 nachgewiesen.
In diesem Zusammenhang fällt auf, dass z.B. anders als das Wort Himmel, das - wie man sich denken kann - in älterer Literatur sehr oft vorkommt, das Wort Arsch ebenfalls erst ab ca. 1900 häufiger in gedruckten Werken (bwz. denen, auf die sich DWDS stützt) zu finden ist:
Hier noch die Kurve für Himmel:
B) Ansätze für eine solidere Erklärung
Um eine solidere Erklärung für die Herkunft des Ausdrucks zu finden, würde ich folgendene Wege vorschlagen:
1) Gibt es Ausdrücke auf Latein oder auf Hebräisch, die in irgend einer Form klanglich *Himmel, Arsch und Zwirn" nahekommen und die ein dieser Sprachen nicht so mächtiger Volksfluchender mit Himmel, Arsch und Zwirn wiederzugeben geneigt sein könnte? Kontaktorte mit dem Mutterausdruck wären naheliegenderweise z.B. die Kirche und der örtliche Viehmarktplatz.
2) Meine ländliche, katholische, süddeutsche Verwandschaft pflegte vor Jahren bei heftigen Ärgeranfällen unausweichlich auf Griechisch zu fluchen: Hercules! (also wie der altgriechische mythische Halbgott). Dies war jedoch kein Ausweis klassischer Sprach- und Kulturkenntnis, vielmehr das Ergebnis der (selbstironischen) Kaschierung des eigentlichen Fluchs (Herrgottsack!, dies wiederum von Herrgott Sakrament!) durch etwas Unverfänglicheres. Also etwa:
Bauer [fängt an zu fluchen]: Herr... [... und besinnt sich, leiser:] ...cules.
Ich hielte es für einen Versuch wert, Himmel, Arsch und Zwirn in diesem Lichte zu untersuchen.
Mich wundert regelmäßig, bei wie vielen Redensarten geradezu verkrampft versucht wird, schwer erklärbare Sprüche, Sprichwörter oder bloße Blabla-Floskeln wissenschaftlich, historisch, linguistisch oder sonstwie tiefenpsychologisch zu erklären. Die Art und Form dieser Wendung deutet dem sprachlich Versierten eher aufs 19./20. Jh. hin. Mein Großvater und Vater (*1895 + 1915) hatten den Spruch vom Barras mitgebracht, wo er zum Zwecke sinnlosen, aber dadurch eindrucksvollen Fluchens aus dem Nichts entstand und zunehmende Verbreitung fand. Er klang einfach nur toll, und man konnte ihn sich deshalb gut merken.
Zwirn ist in diesem Fall ein Deckname für den Teufel, den man bekanntlich nicht bei seinem wahren Namen nennen darf, um ihn nicht aufmerksam zu machen und anzulocken. Die Zahl der teuflischen Decknamen ist enorm und oft handelt es sich um alltägliche oder unverfängliche Gegenstände,manchmal humorvoll verbrämt, oder in vermeintlich harmlos-kindlicher Gestalt. Zum Beispiel wird oft "Beim Kuckuck" oder "Zum Kuckuck" geflucht, wobei der Vogel wie der Faden eine sexuelle Komponente haben, die den Decknamen durchaus das Potenzial eines Kraftausdrucks verleihen. Bei Zwirn liegt die Verbindung zum Teufel (aus griechisch diabolos, dem "Doppelzüngigen", dem "Zweifel Sähenden") in der Zwiefältigkeit des aus zwei Fäden bestehenden Garns. Die wahre Dreifaltigkeit, die hinter dem Fluch steckt, wird allerdings erst deutlich, wenn man die Varianten vergleicht: Die vier geläufigsten dreigliedrigen Fluchformeln auf "Himmel", die mir bekannt sind, lauten: "Himmel, Herrgott, Sakrament!", "Himmel, Arsch und Zwirn!", "Himmel, Arsch und Wolkenbruch!", sowie "Himmel, Arsch und Schornsteinfeger!". Dahinter verbirgt sich die aus der Planetenwoche (Dienstag, Mittwoch=Godestag, Donnerstag), frühmittelalterlichen Abschwörformeln und Taufgelöbnissen sowie der nordischen Edda bekannte heidnische Götter-Trias Ziu (Tyr), Gode/Wotan (Odin), Donner/Donar (Thor). Himmel ist schlicht die deutsche Übersetzung des protogermanischen Tiwaz, dem Ausgangswort von Ziu/Tyr. Ziu ist "der Himmel". Gode ist in "Herrgott" noch gut zu erkennen (Herr Gode), auch wenn die Formel den irreführenden Eindruck erweckt, es sei der christliche Gott angesprochen (was allerdings den Kraftwortcharakter durch die blasphemische Komponente steigert). Später wird der Göttervater als oberster der Dämonen mit dem verächtlichsten und schimpflichsten Ausdruck belegt, nämlich "Arsch", um den Bösen zu schmähen und seine Macht zu beschränken. Das führt noch auf Zeiten, wo Gode als höchster Abgott mit dem Teufel selbst identifiziert wurde. Später ging diese Identifizierung auf Donner/Donar über, weil das Volk an ihm am zähesten festhielt (wegen seiner Epiphanie im Unwetter). Wir erkennen den Teufel im schwarzen, rußigen Mann des "Schornsteinfegers" und wir erkennen den Wetter- und Gewittergott im "Wolkenbruch". Und "Sakrament"? Das ist eigentlich ein Stoßgebet im Augenblick höchster Not und Lebensangst und entfährt dem Menschen unwillkürlich, wenn ein greller Blitzstrahl mit dem ohrenbetäubenden Donnerschlag unmittelbar über seinem Kopf zusammenfällt (Bitte um das Sterbesakrament in der Todesstunde). Angerufen wird Christus als Zuflucht, wenn der Teufel/Donar seine Macht unverstellt zeigt.
Klingt ein wenig wie im Unterricht improvisiert aber schlüssig:
Das kommt aus der Schneiderei. Bevor die Nähmaschine erfunden war, nähte der Schneider im Schneidersitz mit Nadel und Faden vor sich hin. Durch diese unbequeme Haltung tat ihm natürlich der Hintern weh. Das Garn (Zwirn) war damals auch nicht sehr haltbar und riß deshalb häufig. Der Schneider war sauer und wenn das Garn riß fluchte er: "Himmelherrgott nochmal, mir tut der Arsch weh und der Zwirn ist auch schon wieder gerissen!" Weil das sehr häufig passierte, verkürzte sich der Fluch auf "Himmel, Arsch und Zwirn!"