Sieht aus wie ein Anglizismus - oder hat jemand eine offizielle Quelle?
Allein der Duden schweigt sicht aus, Ngram ist schon interessanter ...
Sieht aus wie ein Anglizismus - oder hat jemand eine offizielle Quelle?
Allein der Duden schweigt sicht aus, Ngram ist schon interessanter ...
Viele Adjektive, die offensichtlich lateinischen Ursprungs sind, folgen dem lateinischen Vorbild und bilden die Negation mit dem Präfix in- bzw. im- oder i und Konsonantenverdoppelung. Beispiele sind:
Es gibt aber auch Adjektive, die lateinischen Ursprungs sind und (dennoch) mit dem Präfix un- gebildet werden:
Es lässt sich vermuten, dass der Unterschied davon abhängt, wie stark der lateinische Ursprung wahrgenommen wird. klar etwa ist bereits seit mindestens dem 12. Jahrhundert im Deutschen anzutreffen (https://www.dwds.de/wb/klar), es wird wohl von Sprecher:innen des Deutschen nicht mehr besonders stark als lateinisches Lehnwort empfunden.
Eine andere Möglichkeit, den Unterschied zu erklären, könnte in der Frage liegen, ob die Negation gemeinsam mit der positiven Form aus dem Lateinischen importiert wurde, oder ob die Negation nachträglich im Deutschen gebildet wurde. Dies könnte ein Erklärungsansatz für unkalkulierbar und undefiniert sein: kalkulierbar geht zwar auf lateinisch calculare zurück, ist aber ein nach deutschen Regeln gebildetes Adjektiv (wie man am Suffix -bar erkennen kann), die nach lateinischem Muster gebildete Variante wäre *inkalkulabel, von einem etwa existierenden lateinischen (?) incalculabilis. Die Negation konnte also nicht direkt aus dem Lateinischen übernommen werden. Ähnlich verhält es sich mit undefiniert.
(Ein vergleichbares Phänomen gibt es im Spanischen, wo die phonetische Veränderung lateinischer Lehnworte davon abhängt, wann und auf welchem Wege (schriftlich oder mündlich) die lateinischen Worte ins Spanische gekommen sind.)
Bei der Frage, wie stark der lateinische Ursprung wahrgenommen wird, steht offiziell zwischen den Fronten. Es geht zwar auf lateinisch officialis zurück, kommt aber – wie präzise und auch prätentiös – nicht direkt aus dem Latein ins Deutsche, sondern über das Französische. Dies ist dem Wort auch aufgrund des typisch französichen Suffixes anzusehen (ähnlich wie bei unprätentiös).
Für die Bildung von unoffiziell könnte auch das Englische Vorbild sein, wo unofficial das ebenfalls existierende inofficial dominiert. Im Englischen könnte dies dadurch begünstigt sein, dass official nicht mehr als lateinisches Lehnadjektiv, sondern als Bildung zu office ("Amt") wahrgenommen wird.
Ob die Bildung von unoffiziell unter dem Einfluss von engl. unofficial steht, ist schwer zu sagen. Es scheint unplausibel, den Einfluss des Englischen rundheraus auszuschließen. Wie stark der Einfluss des Englischen ist, lässt sich aber schwer quantifizieren oder belegen.
Für diesen Abschnitt habe ich leider keine Belege, weil sie schwer zu bekommen sind. Ich biete hier nur Arbeitshypothesen an, die sich auf Analogien und allgemeine Gesetzmäßigkeiten stützen. Die Überprüfung dieser Hypothesen ist grundsätzlich möglich, kann aber von mir wegen des Aufwands nicht geleistet werden.
Wenn zwei verschiedene Varianten eines Wortes existieren, ist es nicht ungewöhnlich, dass sich im Lauf der Zeit verschiedene Bedeutungsnuancen oder Bedeutungen herausbilden. Mir fällt gerade leider nur ein englisches Beispiel ein: vanguard ("militärische Vorhut", "politische Vorfeldorganisation") und avant-gard ("Avantgarde", "künstlerische 'Wegbereiter'", "intellektuelle Progressive"), die beide auf französisch avant-garde zurückgehen.
Diese Nuancierung geht häufig damit einher, dass die Verwendung der jeweiligen Worte sich zunächst auf verschiedene sprachliche Register aufspaltet. Bei Lehnworten ist die dem Ursprung ähnlichere Form in der Regel eher im bildungssprachlichen Register anzutreffen; die Verwendung der Lehnform dient auch als Signal der Zugehörigkeit zu einer gebildeten Schicht. Diese soziale Funktion des Gebrauchs von Lehnworten führt mitunter auch zu Hyperkorrekturen oder zu Schein-Lehnworten, die in der vermeintlichen Ursprungssprache gar nicht existieren oder eine andere Bedeutung haben (etwa: Regisseur, Blamage, Trikot, Baiser).
Dieses Prinzip scheint mir grundsätzlich auch auf inoffiziell vs. unoffiziell anwendbar zu sein: Im Gegensatz zu unoffiziell wird der lateinische Ursprung in inoffiziell besonders markiert. Es steht daher zu erwarten, dass es häufiger im bildungssprachlichen Bereich anzutreffen ist.
Bilden sich zwischen verschiedenen Formen semantische Unterschiede heraus, so sind die soziolinguistischen Differenzen häufig die Grundlage dafür. Das scheint mir grundsätzlich auch auf inoffiziell und unoffiziell zuzutreffen.
Eine erste Idee für die Frage, ob sich tatsächlich Bedeutungsnuancen herausgebildet haben, könnte man bekommen, wenn man die Korpussuche des DWDS studiert:
Die positive Form offiziell hat selbst zwei Bedeutungen, eine engere und eine weitere. Im engeren Sinn heißt offiziell "von einer amtlichen Stelle, Regierung oder Behörde ausgehend", "dienstlich". Im weiteren Sinn hat es die Bedeutung "feierlich", "förmlich". Ich würde vermuten, dass inoffiziell eher als Verneinung der ersten Bedeutung verwendet wird, und unoffiziell tendenziell eher zur Verneinung der zweiten Bedeutung. Einige Fundstellen in der verlinkten Korpussuche scheinen dem zu entsprechen:
Der festliche Akt verlief, wie es sich bei Flechtheim gebührt, höchst unoffiziell. [Vossische Zeitung (Morgen-Ausgabe), 03.04.1928]
Und doch haben mir die Beweise unoffizieller, aufrichtiger Herzensteilnahme von so vielen edeln, guten Menschen in diesen Tagen unsagbar wohlgetan. [Suttner, Bertha von: Autobiographie. In: Deutsche Literatur von Frauen, Berlin: Directmedia Publ. 2001 [1909], S. 70574]
Andererseits gibt es auch viele Treffer, an denen unoffiziell als Gegenteil von offiziell im engeren Sinne verwendet wird. Das Korpus scheint insgesamt zu klein zu sein, um hier zu belastbaren Aussagen zu kommen. Insbesondere fällt auf, dass etliche Treffer für unoffiziell aus Die Wirtschaftsethik der Weltreligionen von Max Weber stammen.
Ein besserer Ansatz, um einer eventuellen Bedeutungsdifferenzierung auf die Spur zu kommen, wäre eine Kollokations-Analyse, bei der man die Worte bestimmt, die im näheren Umfeld der beiden Adjektive wahrscheinlich anzutreffen sind. Fände man hier statistische signifikante Unterschiede, würde das für eine stattgehabte Bedeutungsdifferenzierung sprechen. Obwohl das eine sehr interessante Analyse wäre, habe ich leider keine Zeit, sie zu leisten.
Auf das Lateinische zurückgehende Adjektive, die mit einem Vokal beginnen, werden 'ganz offiziell' (1) mit dem Präfix "in" negiert.
Inoffiziell auf duden.de
(1) Da es, wie der Link zu normativen Fragen schön aufzeigt, keine verbindliche Norm des Deutschen, sondern lediglich deskriptive Evidenzen gibt, ist 'ganz offiziell' humoristisch zu verstehen; kompetenter Sprecher oder kompetente Sprecherin kann man jedenfalls auch ohne Lateinkenntnisse werden und sein.
Auf das Lateinische zurückgehende Adjektive, die mit einem Konsonanten beginnen, werden mit dem Präfix "i_" negiert, wobei _ den anlautenden Konsonanten assimiliert.
Illegitim, immateriell, irregulär.
Eine Ausnahme dazu bilden anlautende bilabiale Plosive, [b] und [p]; hier wird aus dem alveolaren [n] in "in" ein bilabiales [m].
Imbezil, impertinent, impotent.
Ausserdem kann das [n] vor gutturalen Anlauten ganz verschwinden.
Ignorant.
Zusatz 1: Dass sich der Gebrauch der negiernden Vorsilbe "un" ausbreitet und mittlerweile gar als 'auch richtig' gilt, muss mit Verweis auf die 'Sprache als sich dynamisch den Sprechenden anpassend' wohl oder übel hingenommen werden; was auch immer das dann über die Sprechenden aussagt... Normative Gültigkeit kann "un" aber kaum unterstellt werden.
Zusatz 2: Das Präfix "non" negiert in einigen Fällen auch Adjektive lateinischen Ursprungs.
nonkonform, nonverbal.
Zusatz 3: Der Kommentar (cit.): "Es scheint ... eher darauf anzukommen, ob das Adjektiv als lateinischen Ursprungs wahrgenommen wird." ist klug und nötigt mir weitere Recherche ab; in lateinischer Grammatik gilt die hier beschriebene Regel, über deren generelle Gültigkeit im (Mh.-)Deutschen muss ich erst nachfragen; sonst bleibt das inklar ;)
Einen Anglizismus vermag ich hier nicht erkennen; man kann das Wort bilden, es entspricht einer der normalen Methoden wie ich ein deutsches Adjektiv negiere.
In diesem konkreten Fall ist 'offiziell' aber lateinischen Ursprungs, sodass sich hier die entsprechend lateinische Vorsilbe für die Verneinung erhalten hat: 'inoffiziell'.
Siehe auch https://epub.uni-regensburg.de/41419/1/RPiL%2015_Schneider.pdf Kapitel 5.2 und insbesondere 5.2.1 und 5.2.2.