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Gibt es Silben, welche nur aus einem Silbenkern bestehen?

Meine Verwirrung kommt von einer Internet-Suche; diese brachte mich auf wohl automatische Silbenerkennungs-Seiten, oder irgendwelche Frageportale, auf welchen es zwei Meinungen gibt:

  1. "Ananas" besteht aus 2 Silben.
  2. "Ananas" besteht aus 3 Silben, wobei die erste Silbe nicht "An", sondern lediglich "A" ist, allerdings darf die erste Silbe nicht durch Silbentrennung abgetrennt werden.

An sich verstehe ich, dass es sinnvoll ist, "A" als Silbe zu sehen: Schließlich haben wir nur einen Silbenkern pro Silbe, welcher meistens ein Vokal ist. Vokal-Konsonant-Vokal(-Konsonant-Konsonant-...) ist doch ganz klar gegen die Bildungsregeln. Dennoch bin ich verunsichert von der Meinung, das Wort bestehe aus nur 2 Silben. Muss eine Silbe also nicht trennbar sein, um eine Silbe zu sein? Existieren untrennbare Silben?

Was ist also nun mit "Ananas", mit "aber", "über", und Ähnlichen?

EagleFliesBanana
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3 Answers3

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Es ist ziemlich irreführend, zu behaupten, dass Ananas aus zwei Silben bestünde, weil man Ana-nas trennt. Diese Trennung wird durch die Rechtschreibregeln festgelegt. Und dort heißt es im Abschnitt Worttrennung in der Fassung von 2016 (zwischendurch, z.B. nach den Regeln von 2004, § 108, wäre auch A-na-nas möglich gewesen):

Amtliche Regeln, § 107

E1: Einzelne Vokalbuchstaben am Wortanfang oder -ende werden nicht abgetrennt, auch nicht bei Komposita, zum Beispiel: Abend, Kleie, Ju-li-abend, Bio-müll

Die Sprechsilben sind A-bend, Klei-e, Bi-o und eben A-na-nas und nicht Gegenstand von Rechtschreibregeln, sondern Einheiten der Sprache. Dort kann selbstverständlich ein einzelner Vokal eine Silbe bilden. (Es gibt auch andere Abweichungen zwischen silbischer Struktur und Worttrennung; z.B. die Trennung nati-onal für natio-nal.)

Ursprünglich hatte ich behauptet, dass Ana-nas aus zwei Schreibsilben bestünde. Damit habe ich aber nur den Missbrauch des Silbenbegriffs, wie er vielleicht auf einigen Seiten im Internet zu finden ist, übernommen. Der wissenschaftliche Begriff der Schreibsilbe, so z.B. in der Duden-Grammatik, 8./9. Aufl., Randnr. 84., hat damit nichts zu tun.

David Vogt
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    Leider gibt es zu viele Webseiten, die da nicht differenzieren. Daher kam meine Verwirrung. Danke für die Aufklärung. – EagleFliesBanana Feb 05 '23 at 17:08
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    Kann es sein, dass das eine dieser Regeln war, die vor der Rechtschreibreform bestanden, dann verworfen wurden (und man eine Weile lang offiziell A-bend oder Klei-e schreiben durfte) und dann nach einiger Zeit wiederhergestellt wurden? – Raketenolli Feb 05 '23 at 17:15
  • Das Irreführende ist mE, bei der "Silbentrennung" überhaupt von "Silben" zu sprechen. Wie auf der verlinkten Seite der amtlichen Regeln auch schön beschreiben ist, gilt: "Dabei stimmen die Grenzen der Silben, in die man die geschriebenen Wörter bei langsamem Vorlesen zerlegen kann, gewöhnlich mit den Trennstellen überein." (Hervorhebung von mir.) Die Trennung am Zeilenende ist also an die Silben angelehnt, aber mehr auch nicht. Umgekehrt ist es aussichtslos, anhand von Trennungsregeln irgendeine Aussage zu den gesprochenen Silben eines Wortes belegen zu wollen (insbesondere, wenn ... – O. R. Mapper Feb 06 '23 at 11:36
  • ... diese im Widerspruch zur Aussprache zu stehen scheinen). – O. R. Mapper Feb 06 '23 at 11:37
  • @O.R.Mapper Ich stimme dem größtenteils zu. Ich dachte, mithilfe des Begriffs der Schreibsilbe ein Missverständnis aufklären zu können, habe es aber damit nur perpetuiert. – David Vogt Feb 06 '23 at 14:50
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Ja, es gibt Silben, die nur aus einem Silbenkern bestehen. Jede Silbe hat einen Silbenkern. Die Silbenrändern hingegen – Silbenanlaut und -auslaut – können (je nach Sprache) leer sein. Das Wort Ananas hat also drei Silben.

Das Deutsche gehört zu den Sprachen, wo sowohl Silbenan- als auch -auslaut leer sein können. In einem Wort wie tue besteht die zweite Silbe aus nichts weiter als einem Silbenkern ohne An- oder Auslaut. Ähnlich verhält es sich bei der ersten Silbe von einem Wort wie Oase in denjenigen Varietäten des Deutschen, wo einem Vokal am Wortanfang kein Glottisschlag vorangesetzt wird, also etwa im Schweizer Hochdeutsch.

mach
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Früher hat man uns eingebläut, dass einzelne Vokale nicht abtrennbar sind. Das ist aber eine optische Regel, denn es gibt im Deutschen keine Silben, die mit einem Vokal beginnen.

Wie? Was?

„Beginnt“ eine Silbe mit einem Vokal, knallen wir doch noch den Knacklaut davor! Das ist ein Konsonant, er wird halt bloß nicht geschrieben.

Ananas ist also ein dreisilbiges Wort.

Janka
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  • [ˈananas] [ˈaːbɐ] [ˈyːbɐ] Ich nehme an, mit dem Knacklaut ist ˈ gemeint? Danke für die Antwort. Bedeutet: Schriftlich kann man nur 2 Silben sehen, Lautlich aber 3 Silben hören? Bzw lautlich in 3 auftrennen, schriftlich aber nur in 2 auftrennen? – EagleFliesBanana Feb 05 '23 at 08:10
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    Nein, dieses ˈ markiert in der IPA-Schreibweise die Hauptbetonung eines Wortes. Der Knacklaut wird ʔ geschrieben, aber z.B. im Wiktionary benutzen sie den nicht. Und ja, richtig. Es sind lautlich drei Silben. Und schriftlich kann man das halt nicht darstellen, weil wir den Knacklaut nicht schreiben, und irgendwann mal entschieden wurde, dass einzelne Vokale nicht abgetrennt werden sollen, weil das im Schriftsatz blöd aussieht. – Janka Feb 05 '23 at 08:20
  • Das ist überraschend. Würdest du aus dem Stehgreif eventuell eine Quelle wissen, bei der ich mehr darüber erfahren kann? – EagleFliesBanana Feb 05 '23 at 08:27
  • Was denn genau? – Janka Feb 05 '23 at 09:08
  • Selbstverständlich gibt es im Deutschen Silben, die mit einem Vokal beginnen. Einerseits ist in der Schweiz der Glottisschlag nicht üblich – schon alleine damit ist die Aussage widerlegt. Darüber hinaus ist in Wörtern wie real, Theater auch ausserhalb der Schweiz der Glottisschlag nicht üblich. Und darüber hinaus haben Wörtern wie böig, säe, tue, ruhig nicht einmal im allerpreussischsten Norddeutsch einen Glottisschlag. – mach Feb 05 '23 at 09:15
  • Dann trenne mal bitte böig, ohne einen Knacklaut zu machen. Es geht nicht. Entweder du sprichst es als eine Silbe mit einem Gleitlaut oder du knackst. – Janka Feb 05 '23 at 09:21
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    Du irrst dich. Das Wort böig hat zwei Silben, aber keinen Glottisschlag, vgl. böig – Wiktionary oder andere Aussprachewörterbücher. Wenn jemand Norddeutsches das Wort getrennt spricht, dann würden sie wohl einen Glottisschlag produzieren. Eine getrennte Aussprache ist aber künstlich und entspricht eher dem gesprochenen Buchstabieren als der gewöhnlichen Aussprache des Worts. – mach Feb 05 '23 at 09:32
  • Genau darauf wollte ich aber hinaus. Der Knacklaut ist eine reine Ausspracheregel. Die Verwirrung des Fragestellers rührt vermutlich auch daher, zu erwarten, dass die Silben lexikalisch wären. Das sind sie aber nicht, wie man ganz ohne Knacklaut allein an Wörtern mit oder ohne Endungen erkennt, z.B. der Laut, des Lau|tes. – Janka Feb 05 '23 at 10:47
  • Beeilen ist leider ein Gegenbeispiel. – c.p. Feb 06 '23 at 16:30