Ich habe gerade eine Frage über das Adjektiv verwordakelt gestellt, und im Zuge dessen fiel mir auf, dass es im Osten Österreichs sehr viele bairische Vokabeln gibt, die dort in den regionalen Dialekten höchstlebendig sind und mit relativ hoher Frequenz verwendet werden, und die man auch in der Alltagssprache häufig antrifft, ohne dass irgendjemand auf die Idee käme, diese Wörter in einem Kontext zu verwenden, der Hochdeutsch (im Sinn von: Standarddeutsch) verlangt.
Beispiele dafür sind:
verwordakelt = deformiert, aber trotzdem liebenswert
schiach = unschön, hässlich
rean = weinen (dazu habe ich auch mal eine Frage gestellt)
sich vergogeln = sich irren
Recherl = Pfifferling
urassen = etwas vergeuden, mit etwas verschwenderisch umgehen
...
Diese Wörter werden in einem Gebiet mit mehreren Millionen Einwohnern relativ häufig in der Alltagssprache verwendet, gelten aber als strikt zu einem Dialekt gehörend.
Die nächsten Beispiele werden in der Alltagssprache mit ähnlicher Häufigkeit verwendet, sind aber amtlich bescheinigt höchstoffizieller Bestandteil der deutschen Standardsprache (Auszug aus dem österreichischen EU-Beitrittsvertrag - Akte - Protokoll Nr. 10):
Eierschwammerl = Pfifferling
Fisolen = grüne Bohnen
Karfiol = Blumenkohl
Kren = Meerrettich
Ribisel = Johannisbeeren
Topfen = Quark
Dass in diesem speziellen Dokument ausschließlich Namen von Lebensmitteln enthalten sind, die mit genau diesen Namen in Österreich produziert und verkauft werden, ist kein Wunder. Da steckte zur Zeit des österreichischen EU-Beitritts die begründete Angst dahinter, man müsse nach dem EU-Beitritt z.B. auf die Topfen-Packerln das Wort »Quark« drucken um sie weiterhin in Österreich verkaufen zu dürfen, was (zumindest im Fall von Topfen/Quark) bis heute so gut wie alle Österreicher mit großer Vehemenz ablehnen würden.
Aber es gibt auch viele andere Wörter, die nicht durch amtliche Dokumente geadelt wurden und nur in Österreich zum Standarddeutsch gehören:
Trafik = Verkaufsstelle für Zigaretten, Zeitungen und Zeitschriften (Bild einer Trafik)
Wimmerl = Pustel, Pickel (Quelle 1, Quelle 2, Quelle 3)
sudern = jammern, nörgeln (Quelle 1, Quelle 2, Quelle 3)
spengeln = Blech bearbeiten (Quelle 1, Quelle 2, Quelle 3)
pölzen = Bauwerk seitlich abstützen (Quelle 1, Quelle 2, Quelle 3)
...
Einige dieser Wörter wird man auch in Bayern hören, dort gelten sie aber nicht als Bestandteil der Standardsprache, sondern werden höchstens als Teil der Alltagssprache wahrgenommen, eher noch gelten sie dort als Dialektwörter.
Ich frage mich nun, was der Grund dafür sein könnte, dass einige Wörter (darunter alle aus meiner ersten Liste) auch in Österreich so unzweifelhaft als Dialektwörter wahrgenommen werden, während viele andere Wörter als standardsprachlich empfunden und verwendet werden (darunter alle aus meinen beiden anderen Aufzählungen). Ist das wirklich nur Zufall, oder stecken da vielleicht irgendwelche Lautmuster dahinter?