Es gibt zwei Motivationen gegenderte Sprache zu verwenden:
a) Bei direkter Ansprache die Inklusion: Jede Person soll angesprochen werden egal wie diese sich selbst sehen und sich niemand ausgelassen oder der Wortwahl wegen nicht angesprochen fühlen.
b) Durchbrechen von Cliches: Eine (ggf. auch) unbewusste Bevorzugung oder Konnotation des Gesagten bezüglich des einen oder anderen Geschlechts soll vermieden werden. Stereotypen sollen gebrochen werden.
Beides kann mit Deinem Vorschlag nur erreicht werden, wenn die geschlechtsneutrale Variante noch nicht gedanklich mit der verwendeten grammatikalischen Form bewusst oder unbewusst assoziert ist. Das ist aber bei "der Schüler" der Fall: es bezeichnet z.Z. entweder einen männlichen Schüler oder allgemein einen Schüler. Die Wahrscheinlichkeit, dass das mentale Bild des Wortes "Schüler" eher ein Junge ist als ein Mädchen, ist deshalb größer. Wird die Klasse damit direkt angesprochen, so kann jedes Mädchen durchaus auch zur Recht behaupten, damit nicht angesprochen zu sein - denn man hätte dann ja auch Schülerin sagen können.
Ein anderes Beispiel, wo der gedankliche Bias vielleicht noch besser funktioniert: denk an eine Mechanikwerkstatt zur Metallbearbeitung mit CNC-Fräsen, Sägen, Bohrern etc. Welches mentale Bild hast Du als aller erstes ohne nachzudenken beim Wort "Werkstattleiter" vor Augen?
Ist es eher ein (älterer) Mann? Oder die junge engagierte Meisterin, die die Mechanikwerkstatt leitet?
In Abwesenheit einer Sprachvergangenheit ließe sich wunderbar ein solches System designen, meinetwegen gerne wie von Dir vorgeschlagen, weil es relativ logisch die Begriffe bildet. Sprache hat aber Historie und es gibt Sprachgebrauch, d.h. man fängt nicht bei Null an. Deshalb muss man, wenn man gendern will, die geschlechtsneutrale Form so wählen, dass sie noch nicht mit einem gedanklichen Bias belegt ist. Schweden hat das mit der Einführung des geschlechtsneutralen Pronomen 'hen' 2015 geschafft.