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Ich überarbeite einen Text über Data Scraping, in dem gehäuft Verbformen von "scrapen" (denglish zu "to scrape") verwendet werden. Wenn es nach mir ginge, würde ich die am liebsten ganz ersetzen, aber das wird wohl nichts. Stellt sich die Frage, wie man das vernünftig konjugiert ...

Was mir beim Versuch, ein Partizip zu bilden, auffällt: Bei "ich habe die Daten gescraped" wirkt m.E. ein "d" besser, bei "die gescrapeten Daten" eher ein "t" (und der vorliegende Text verwendet sogar ab und zu "gescrapt", was eher an "to scrap" = "verschrotten" erinnert!). Gibt es hierzu Empfehlungen?

Jonathan Scholbach
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Hagen von Eitzen
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Fremdwörter können orthographisch oder morphologisch integriert werden. Sobald das deutsche Präfix ge- an das Verb herantritt, hat man sich für die morphologische Integration entschieden; dann muss es gescrapt heißen, erst recht, wenn noch eine deutsche Adjektivendung hinzukommt: die gescrapten Daten.

Das englische stumme -e, das der Anzeige des diphthongierten Stammvokals dient, verschwindet bei der Integration ins deutsche Flexionssystem.

nicht: die gescrapeten Daten, er scrapet
sondern: die gescrapten Daten, er scrapt

Sowohl die Gliederung gescrape-t mit -e als Teil des Stammes als auch gescrap-et mit -e- als Teil der Ednung sind systemwidrig: es gibt keine Stämme auf -e und das -e- der Endungen folgt aus allgemeinen Regeln (z.B. nach d oder t des Stammes): er download-et wie er bad-et, aber er scrap-t wie er schab-t.

Die Integration zeigt sich in der ersten Person bei Formen wie ich lik-e /laikə/, scrap-e /skreipə/: an den Stamm ohne stummes -e tritt die Personalendung -e.

Die Gefahr einer falschen Aussprache ist nicht so groß, wie es auf den ersten Blick scheinen mag. Auch im Englischen verschwindet stummes -e in Verbindung mit Suffixen, ohne dass sich die Aussprache ändert: scraping, scraper, scrapable. In diesen Kontexten wird die Opposition zu den undiphthongierten Lauten dadurch sichergestellt, dass nach diesen der Konsonant verdoppelt wird: scrapping, scrapper, scrappable. Das passt sehr gut ins deutsche System: scrappen, er scrappt, gescrappt.

Die morphologische Integration entspricht den Empfehlungen des Duden: das Verb "liken", Konjugation zu faken. Siehe auch die Duden-Grammatik, 10. Auflage, Randnummer 1665.

David Vogt
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  • Nachfrage: weil das 'e' auch im Englischen nicht zum Wortstamm gehört, genau deshalb heißt es im Deutschen nicht 'gescrapet'? Man verwendet also den gleichen Wortstamm mit deutscher Konjugation? – planetmaker Apr 07 '23 at 08:22
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    So isset: Ganz oder gar nicht. Nutzt man ein deutsches Partizippräfix wie "ge-", kann man kein englisches Partizippostfix wie "-ed" mehr dranhängen. – tofro Apr 07 '23 at 11:30
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    Die Schreibung "gescrapt" und die englische Aussprache des Stamms mit "[skreip]" schließen sich aus, und ich finde die Argumentation, dass der Wortstamm "scrap-" sein muss, nur weil der Infinitiv "scrapen" heißt, auch nicht überzeugend. Als Infinitiv wäre eigentlich "scrape-en" sinnvoll, was man bei dieser Art Verben für den infinitiv sinnvoll zu scrapen verkürzt hat. Daraus abzuleiten, man solle auch "du scrapst", "er scrapt", "gescrapt" etc. schreiben, ist m.E. ein grammatiktheoretischer Schwanz, der mit dem Hund wedelt. – HalvarF Apr 08 '23 at 22:19
  • Die Aussprache im Englischen ändert sich allerdings, sobald kein Vokal folgt. (Es heißt I scraped und nicht I scrapd.) Daher ist schon zu konstatieren, dass gescrapt in Disanalogie zur englischen Morphologie steht. Das ist es, woran sich die Intuition derer reibt, die gescraped schreiben wollen. Der Dissens besteht m.M nach darin, ob man diese im Deutschen "systemwidrige" Konstruktion ins Deutsche überträgt: Gibt man der Analogie zum Englischen, oder der Systemtreue im Deutschen den Vorzug? – Jonathan Scholbach Apr 09 '23 at 10:24
  • @JonathanScholbach Wie soll sich denn die Aussprache "automatisch" ändern? Das entscheidet doch der Sprecher? Man sollte präziser formulieren und sagen: gelikt, gefakt könnten falsch ausgesprochen werden, wenn das -e als Signal fehlt. Aber das trifft für geliket, gefaket genauso zu (falsche dreisilbige Aussprache möglich). Wenn man für die nichtdiphthongierten Vokale Doppelkonsonanten als Signal hat, ist zumindest eine Opposition sichergestellt (Download gecappt, Batman gecapt). – David Vogt Apr 09 '23 at 11:13
  • Lass uns das heir weiter besprechen: https://chat.stackexchange.com/rooms/145209/partizip-ii-von-scrapen – Jonathan Scholbach Apr 09 '23 at 11:59
  • Ich sehe schon: Trotz teils verschiedener Positionen ist wohl die überwigende und gut begründbare Lösung, dass es erstens "gescrapt" heißt. Wegen teils verschiedener Positionen wäre es wohl die beste Lösung, wenn das Wort gescrappt würden :) – Hagen von Eitzen Apr 10 '23 at 06:46
  • Toller Kommentar. Was wäre nun mit "Orthographischer Integration" gemeint? Dass man es so umschreibt, wie man es für richtig geschrieben hält, ohne dabei auf morpho(-syntaktische?/logische) Regeln zu achten? – EagleFliesBanana Apr 12 '23 at 18:15
  • @OranMatheus Orthographische Integration meint, dass man an die deutsche Laut-Buchstaben-Zuordnung anpasst: strike > Streik, Sauce > Soße. – David Vogt Apr 12 '23 at 19:25
  • Danke, was wäre die Zuordnung für "scrapen"? – EagleFliesBanana Apr 13 '23 at 03:35
  • Bei "streiken" hat man also "Strike" sowohl orthographisch als auch morphologisch ins Deutsche integriert, verstehe ich das richtig? Es schließt sich nicht aus? – EagleFliesBanana Apr 13 '23 at 07:01
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    @OranMatheus Streiken ist in jeder Hinsicht integriert und nicht mehr von einem einheimischen Wort unterscheidbar. – So was wie cakes > Keks würde man heute mit scrape nicht mehr machen. Könnte mir vorstellen, dass die Aussprache bei häufigem Gebrauch von fremdem /ei/ zu nativem /e/ wechseln könnte. Aber nur, wenn es kein Fachbegriff bleibt. Das wäre dann phonologische Integration. – David Vogt Apr 13 '23 at 07:05
  • Vielen Dank. Wenn ein Wort "in jeder Hinsicht integriert" ist, kann man also sagen, dass es sowohl morphologisch als auch orthographisch (und somit auch phonologisch) integriert ist? – EagleFliesBanana Apr 13 '23 at 07:45
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    @OranMatheus Ja. Wobei orthographische und phonologische Integration nicht das Gleiche ist: Training wird geschrieben wie im Englischen (bis auf Großschreibung), kann aber mit einem Monophthong gesprochen werden; Tipp hat ein zweites P bekommen, was die Aussprache aber nicht ändert. – David Vogt Apr 13 '23 at 09:30
  • @DavidVogt Damit wäre das geklärt. Danke, das war sehr hilfreich und hat Klarheit geschaffen! – EagleFliesBanana Apr 13 '23 at 10:16
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Für manche aus dem Englischen abgeleitete Wörter, die nicht auf -e enden, hat sich durchgesetzt, dass im Deutschen in den konjugierten Formen ein e eingefügt wird.

downloaden: ich downloade, du downloadest, er/sie/es downloadet, wir downloaden, ihr downloadet, sie downloaden, downloadend, gedownloadet.

(also analog zu warten: ich warte, er wartet, wartend, gewartet)

Bei anderen hingegen nicht:

powern: ich powere, du powerst, er powert, wir powern, ihr powert, sie powern, powernd, gepowert

Bei englischen Verben, die auf -e eden, ändert das -e die Aussprache der Silbe davor. Wenn man dieses -e weglässt, ändert sich die gelesene Aussprache. Wenn die englische Aussprache [skrɛip] bei der Eindeutschung "scrapen" als [skrɛipen] erhalten bleiben soll, kommt man um das (dann stumme) -e nicht herum:

scrapen: ich scrape [skrɛipə], du scrapest [skrɛipst], gescrapet [geskrɛipt]

Weglassen des -e (also gescrapt) würde die englische Silbe zerstören und damit intransparent machen, dass eine englische Aussprache von [skrɛip] gemeint ist. Die Verwechslung mit "to scrap" wäre unausweichlich, wenn man nicht Vorwissen über das eingedeutschte Verb mitbringt.

Weiteres Beispiel:

liken: ich like, du likest, geliket

Wenn man es deskriptiv betrachtet, sieht es allerdings ganz anders aus:

https://books.google.com/ngrams/graph?content=geliked%2C+geliket%2C+gelikt&year_start=2000&year_end=2019&corpus=de-2019&smoothing=3

Bei weitem am populärsten ist dort "geliked", gefolgt von "gelikt" (reines Glück, dass es kein englisches verb to lik gibt) und abgeschlagen "geliket". Für "scrape" gibt es dort leider zu wenig Daten.

HalvarF
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  • Dies erscheint mir auch logischer als dass das e bei scrape verschwindet. Danke dir für die Übersicht... auch wenn ich die meisten dieser englischen Verben nur im Gesprochenen verwende, nicht zuletzt, weil es geschrieben mit immer etwas arg bemüht aussieht, egal wie man es schreibt – planetmaker Apr 09 '23 at 05:57
  • Wenn man dieses -e weglässt, ändert sich die gelesene Aussprache. Warum? Durch welche Magie? Im Englischen jedenfalls nicht: scraping, scraper, scrapable werden trotz fehlendem e nie /ae/ gelesen. Die Verwechslung mit scrap wird durch Konsonantendopplung ausgeschlossen: scrapping, scrapper, scrappable. Der Duden hat mit dem fehlenden e kein Problem: gelikt, gefakt. – David Vogt Apr 09 '23 at 06:55
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    @DavidVogt: aber im Englschen auch "he likes", "she fakes", "liked", "faked". Und da soll man sich bei der Bildung der dritten Person und des Partizips im Deutschen eher an "liking" und der amerikanischen Verkürzung "likable" (in BE: "likeable") orientieren? Das ergibt für mich nur wenig Sinn. – HalvarF Apr 09 '23 at 13:44
  • Gelike-t, gelik-et sind systemwidrig (dt. keine Stämme auf -e, kein -et nach k). 2. Engl. hat lik /laik/, scrap /skreip/ vor -ed, -ing, -er, -y, -able, etc. (dass es -able auch nach -e gibt ist egal; es geht nur darum, dass es Diphthongierung ohne -e geben kann, was immer geleugnet wird, wenn jemand "gelikt kann nicht /ai/ haben" o.ä. vertritt). 3. Deutsches gescrap-t, gelik-t entspricht nicht den englischen Konventionen, muss das aber auch nicht. Fehllesungen sind durch fehlende Konsonantenkopplung (gescrappt, gelickt) ausgeschlossen (daher kein Glück in Spiel).
  • – David Vogt Apr 10 '23 at 04:33